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Die Deutsche Schule im Wandel der Zeiten
von Carolina Marinkovic, Christian Mendoza und Mario Reinhard

Heute ist die Deutsche Schule „Mariscal Braun“ eine Begegnungsschule, in der sowohl bolivianische als auch deutsche Traditionen gelebt werden. Ihren jetzigen Namen erhielt sie am 05. Okt. 1942, nach der Kriegserklärung Boliviens an Deutschland, und zwar zu Ehren des einst für die bolivianische Unabhängigkeit kämpfenden deutschen Marschalls Otto Philipp Braun.

Die Schule ist heute offen für jede und jeden, egal welcher Religion oder Nationalität. Diskriminierung und Bullying werden nicht toleriert. Leider war das nicht immer so….

Während die Schule in den 20er Jahren (Eröffnung 09. Mai 1923) weltoffen und tolerant war – der Unterricht an der Schule begann mit insgesamt 77 Schülerinnen und Schülern, davon 43 Bolivianer oder “gemischte Kinder” mit Muttersprache Spanisch, 27 Deutsche, 7 aus anderen Ländern –, ändert sich dies leider genauso wie insgesamt in Deutschland. Die Zahl der ausländischen und jüdischen Schülerinnen und Schüler nahm ab oder sie wurden als deutsch und katholisch in der Statistik geführt. Vielleicht kann das ob der Veränderungen in Deutschland nicht verwundern. Immerhin erhielt die Schule damals wie heute eine große personelle wie finanzielle Unterstützung aus Deutschland.

Das bedeutete für die 30er und hin bis zur Kriegserklärung Boliviens an Deutschland, 1942, auf der einen Seite, dass Sport und Disziplin groß geschrieben wurden, die Lehrkräfte regelmäßig nationalpolitisch geschult und beurteilt wurden, die Lehrpläne die nationalsozialistischen Vorgaben erfüllen mussten, aber auf der anderen Seite Nazi-Deutschland zu einem erheblichen Teil den Schulneubau in der Avenida Arce mit finanzierte.

Wie sehr das Schulleben und der Unterricht von der nationalsozialistischen Ideologie – wie beispielsweise dem Führerkult, dem Nationalismus, dem Rassismus oder dem Expansionismus – geprägt war, zeigen auch die Quellen im Kapitel 3 oder der Auszug aus der Inventarliste der Schulbibliothek.

Dabei war die Deutsche Schule, wie schon gesagt, nicht allein; dieselbe Ideologie findet sich auch in der Kulturgemeinde insgesamt, die ihre nationalpolitischen Veranstaltungen in der Schule abgehalten hat (1. Mai Feier, Ehrung Hindenburgs und andere) und dazu natürlich auch das Lehrerkollegium eingeladen hat, und umgekehrt hat auch die Schule die Kulturgemeinde eingeladen.

Schule und Kulturgemeinde, letztere war und ist gleichzeitig Schuleigner, sind eng mit einander verbunden, personell und inhaltlich, und das Engagement für die NSDAP wurde von Deutschland ausdrücklich gefordert.

1924 zählte die Schule 101 Schülerinnen und Schüler. Die Zahl der bolivianischen war auf 58 gestiegen, die der deutschen aber bei 27 geblieben. Außerdem gab es inzwischen 18 deutschsprachigen Bolivianer. Die Schule wurde nach und nach internationaler, mit drei US-Amerikanern und insgesamt acht englischsprachigen Schülern. In jenem Jahr erhielt die Deutsche Schule auch ihre erste jüdische Schülerin, Louise Kavlin aus Vilnius, Russland (heute Litauen). Später folgten ihr noch ihre Brüder an die DS La Paz nach, wo die Familie bis 1939 vertreten blieb.

1932 stieg die Zahl der Schülerinnen und Schüler auf 412. Aber es ist erstaunlich, wie drastisch die Zahl derjenigen mit bolivianischer Staatsbürgerschaft innerhalb von zwei Jahren gesunken ist: von 340 auf 285. Demgegenüber hatte sich die Zahl der deutschen Studierenden innerhalb von zwei Jahren verdoppelt, von 43 auf 87. Nichtsdestoweniger gab es an der DS La Paz immer mehr Bolivianer als Deutsche, was in Deutschland nicht unbedingt gerne gesehen wurde.

Die Zahl der deutschsprachigen Bolivianer blieb jedoch vorerst bei null. Das liegt daran, dass in diesem Jahr die deutschsprachigen Bolivianer als Deutsche registriert wurden. Dies erklärt den Rückgang der Zahl bolivianischer Schülerinnen und Schüler und den deutlichen Anstieg der Deutschen in der Deutschen Schule. Gleichzeitig wurde die Schule internationaler, mit 40 ausländischen  Schülerinnen und Schülern, darunter Argentinier, Chilenen, Peruaner, Kubaner, Mexikaner, Amerikaner, Engländer, Italiener und Schweizer.

1941 herrschte der Weltkrieg im zweiten Jahr. Die Zahl der in der Schule registrierten Bolivianer betrug 416, von denen 9 deutsch sprachen. Die Zahl der deutschen Studenten stieg auf 81, weil bolivianische Familien wieder als deutsche Familien eingetragen wurden. Die Zahl der Schülerinnen und Schüler aus anderen Ländern sank auf 12. Aufgrund der Kriegssituation waren an der Schule keine amerikanischen, englischen, russischen oder mexikanischen Schüler mehr eingeschrieben. Aufgrund der Freundschaft zwischen Deutschland und Japan befinden sich nun an der Schule insgesamt aber vier japanische Schüler. Bis zum Kriegsende erhöhte sich ihre Zahl auf sechs Schülerinnen und Schüler.

Im folgenden Jahr gab es viele Bolivianer und nur wenige Deutsche, weil die Bolivianer, die vor einem Jahr noch als Deutsche galten, als Bolivianer betrachtet wurden, was wahrscheinlich nicht zuletzt am Kriegseintritt Boliviens auf Seiten der Alliierten lag. Schülerinnen und Schüler aus den “alliierten” sowie aus anderen europäischen Ländern besuchten die Deutsche Schule bis zum Ende des Krieges nicht, außer aus neutralen Ländern wie der Schweiz.

Im Jahr 1945 betrug die Zahl der Deutschen 40 (5%), während die Zahl der Bolivianer 690 (93%) betrug – bei einer Gesamtzahl von 746 Schülerinnen und Schülern.

Auch wenn es wegen der Kriegsfolgen in den 50er und 60er Jahren einen konstanten Lehrermangel gab, entwickelte sich die Schule weiter, wurde eine Versuchsschule und wuchs kontinuierlich. Nach dem Krieg, zwischen 1946 und 1951, war die Deutsche Schule sehr gut aufgestellt, hatte immer mehr  Schülerinnen und Schüler, 1951 insgesamt 1114. Die Zahl der Studierenden anderer Nationalitäten nahm ebenfalls wieder zu. Sie kamen aus unterschiedlichsten Ländern, darunter die Niederlande, Uruguay, Paraguay und Chile.

Durch das Schulabkommen zwischen dem bolivianischen und dem deutschen Staat ist die Deutsche Schule in der inneren Gestaltung relativ frei und die Schülerinnen und Schüler können die Schulabschlüsse beider Länder erwerben.